Dienstag, 12. Mai 2009

An den Kölner Stadtanzeiger

19.4.200ß

Bezug:
Nr. 188 v. 13.08.2008 "Atommüll soll Millionen Jahre sicher sein" (dpa/rtr)
Nr. 78 v. 02.04.2009 "Für kleinere Atom-arsenale. USA und Rußland wollen abrüsten" (rtr)
Nr. 88 v. 16.04.2009 "Speicherung von Kohlendioxid große Chance"(dpa)
Nr. 88 v. 16.04.2009 "Im Atommüllager Asse lagert auch Arsen"
Nr. 89 v. 17.04.2009 "KVB muß Aufsicht abgeben" von Peter Berger
"Lehren ziehen" von Peter Berger - Kommentar -
Nr. 88 v. 16.04.2009 "Schwan gegen Debatte" (dpa)


Atom gegen Kohle - so scheint die Alternative zu lauten, wenn man die Nachricht "Speicherung von Kohlendioxid große Chance" liest. Seit Beginn der Diskussion über die Nutzung der Kernenergie stört mich, daß die Halbwertzeit der Elements Plutonium (Pu) mit maximal 82 Mio Jahren und Uranium (U) mit maximal 4,5 Mio Jahren in der öffentlichen Diskussion keine Rolle gespielt hat. Erst im vergangenen Jahr ist im Zusammenhang mit der Endlagerung von Atommüll vom Umweltministerium in Berlin die Zahl 1 Mio Jahre aufgetaucht, die den Schluß zuläßt, daß erst jetzt die wahre Dimension annähernd realistisch zur Kenntnis genommen wird. Ob die jüngsten Berichte über den Zustand des Zwischenlagers Asse zu diesen Erkenntnissen beigetragen oder sie gestärkt hat, weiß ich nicht, hoffe aber darauf. Ob die Einigung von USA und Rußland, ihre Atomarsenale abzubauen, auf die Einsicht gründet, Dauerschäden für die Umwelt zu verringern oder die Friedensaussichten in der Welt zu stärken, bleibt wohl offen. Ich hoffe, daß beide Gründe zusammenkommen.
Und nun kommt die "große Chance" ein weiteres Umweltgift "unschädlich" zu machen: "Speicherung von Kohlendioxid". Soweit mir bekannt ist, sollen Möglichkeiten genutzt werden, Kohlendioxid (CO2) über Pipelines an geeignete Speicherungsorte zu führen und dann dort möglichst umweltunschädlich auf Jahrzehnte hinaus zu lagern, zu verschließen. Aktueller Anlaß ist die Kohleverstromung in Nordrhein-Westfalen. Die SPD fordert zur Sicherung die verstärkte Förderung der Forschung und praktischen Umsetzung der Kohlendioxid-Speicherung zur Förderung des Industriestandorts NRW. Der Vorwurf der SPD gegenüber Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), er setze sich in Berlin dagegen verstärkt für die Verlängerung der Laufzeit für Atomkraftwerke ein.
Mit 73 Jahren habe ich, widerstrebend zwar, aber schließlich doch, im Grundsatz gelernt, daß die Menschheit nicht aus der Geschichte und aus ihren eigenen Fehlern lernt. Ausnahmen scheinen die Regel zu bestätigen.
Einerseits bricht sich die Erkenntnis Bahn, daß die Umweltgefahren, die vom Atommüll ausgehen, nicht nach Generationen oder etwa Jahrhunderten, zu bemessen sind, sondern nach Millionen von Jahren. Diese Dimension übersteigt das Vorstellungsvermögen eines Normalbürgers bei weitem. Die Verantwortung, die mit zukunftsträchtigen Entscheidungen auf diesem Gebiet verbunden sind, kann man heute kaum ermessen. – Und nun findet man ein neues recht zweifelhaftes Verfahren der Energiesicherung. Die Speicherung von Kohlendioxid soll umweltsicher sein.
Aber Speicherung bedeutet nicht Beseitigung. Sie verschiebt das Problem nur für relativ kurze Zeit. Allenfalls für eine Generation.
In welcher Welt leben wir? In welche Welt entlassen wir unsere Kinder und Kindeskinder?
Das ist Weltpolitik, es geht um die Existenz der Welt, in der wir leben.
Nun aber zu einem ganz "kleinen" Problem vor unserer Haustüre: Die Bauaufsicht in Nordrhein-Westfalen. Der Kölner Stadt-Anzeiger teilt mit: "KVB muß Aufsicht abgeben". Die Bezirksregierung in Düsseldorf habe so entschieden. Allmählich erkenne ich die verhängnisvolle Wirkung eines an sich lobenswerten politischen Zieles: Bürokratieabbau. Ich weiß, daß es hoheitliche Aufgaben der Bauaufsicht gibt, die man in früheren Zeiten "Baupolizei" genannt hat. Es gibt natürlich auch die Bauaufsicht, die jeder Architekt für seinen Auftraggeber übernimmt, die jedes Unternehmen über die ordnungsgerechte Ausführung seiner Projekte übernimmt, um dem Auftraggeber gegenüber für die Qualität der Ausführung seiner Arbeit haften zu können. Natürlich haben sich im Laufe der Jahre Fehlentwicklungen gezeigt. Diese sollten beseitigt werden. Ich kann mich an ein Beispiel erinnern. So sollten kleinere bauliche Maßnahmen bei der hoheitlichen Bauaufsicht nur „angezeigt" werden. Diese Bauaufsicht war in der Regel bei den Landkreisen und kreisfreien Städten angesiedelt, und zwar nicht bei einem ausführenden Amt etwa der Bauverwaltung oder Bauunterhaltung, sondern beim Planungsamt - u.U. auch beim Rechtsamt. Natürlich hatten diese Ämter keine Fachleute für die einzelnen Spezialfragen. Dafür wurden Fachleute eingekauft. Aber sie konnten nur Fachurteile zu ihrem besonderen Fachgebiet abgeben. Es gab also Ortsbesichtigungen der hoheitlichen kommunalen Bauaufsicht und der verschiedenen Fachleute. Die Bauaufsicht, die von den Kommunen als Aufgabe nach Weisung im staatlichen Auftrag wahrgenommen wurde, entschied dann nach Würdigung aller Fachgutachten in eigener Verantwortung. In Einzelfällen war das auch einmal der Regierungspräsident oder das Innen- bzw. Bauministerium. Im Rahmen der jüngsten Maßnahmen zum Bürokratieabbau sind offensichtlich den Kommunen die hoheitlichen Aufgaben der Bauaufsicht gänzlich entzogen worden. Damit haben sie selbst auch weniger Übersicht über das bauliche Geschehen in ihrem Gebiet. Die Einhaltung der Bauleitpläne einschließlich der Vorgaben der Bebauungspläne scheint vollständig auf die Regierungspräsidenten übergegangen zu sein. Wie wir dem Kölner Stadt-Anzeiger entnehmen, gibt es neben dieser grundsätzlichen Regelung auch noch eine Schwerpunktbildung bei einzelnen Bezirksregierungen, wie z.B. für alle Neubauten von Stadtbahn-Anlagen in Nordrhein-Westfalen als technische Aufsichtsbehörde beim Regierungspräsidenten in Düsseldorf.
Für Außenstehende ist das alles schwer nachzuvollziehen. Da, wo es um Ortskenntnis geht und um die Beobachtung des Geschehens vor Ort, da werden neue Zuständigkeiten möglichst weit weg gebildet. Es ist kein Wunder, daß die überforderte Behörde nun ihre Aufgabe wieder zurück an die örtliche Behörde gibt. Aber nun folgt der nächste Fehler: Es wird der ausführenden Firma auch die hoheitliche Aufgabe der Bauaufsicht übertragen. Damit ist eindeutig jede Zuständigkeit und Verantwortlichkeit aufgehoben. Und das alles geschah anscheinend mit Zustimmung des Bau- und Verkehrsministers des Bundes. Zunächst sah es für mich so aus, als hätten die örtlich Verantwortlichen sich durch vertragliche Regelungen jeder Verantwortlichkeit entziehen wollen. Jetzt erkenne ich, es ist staatlich gewolltes und bewußtes Handeln. Da kommen mir ernsthafte Bedenken!
Wenn unsere Politiker in Fragen des Überlebens der Menschheit so wenig lernen, wie im Falle des Atommülls und der CO2-Speicherung und wiederholt Erfahrungen missachten, sich überholten Scheinlösungen öffnen, andererseits gewachsene sachgerechte Zuständikeiten aufheben und einen völlig überflüssigen Zuständigkeitswirrwarr anrichten, dann ist mir völlig klar, diesen Menschen darf man das Grundgesetz nicht zur freien Neugestaltung überlassen.
Insofern stimme ich Frau Schwan zu. Sie meinte, sie sehe nicht, daß wir jetzt eine Verfassungsdiskussion anfangen könnten. Es gehe im übrigen nicht um die Qualität der Verfassung sondern allenfalls um die Abstimmung der Ostdeutschen über das Grundgesetz. Aber das sei eine Frage von vor zwanzig Jahren.
Vom Alter her kenne ich die Zeit vor dem Grundgesetz und die Zeit mit ihm. Als Kommunalbeamter habe ich auch einiges über das Zustandekommen des Grundgesetzes erfahren und von den Personen, die daran mitgewirkt haben.

Ich kann nicht erkennen, daß die derzeitige Politikergeneration auch nur annähernd den Überblick und das Verantwortungsbewußtsein hat, wie es die Generationen derer bewiesen haben, die die Weimarer Zeit, die Zeit des nationalsozialistischen Regimes und die Zeit danach erlebt haben und das Grundgesetz mit dem Blick auf die Vereinigung Deutschlands und Europas erarbeitet haben. Die Verfassungskommissionen der vergangenen Jahre haben nach außen eher den Eindruck eines Interessens-Schacherns
vermittelt als den einer sachgerechten Erörterung von langfristig tragfähigen Lösungen mit klaren Zuständigkeiten. Die jüngsten Äußerungen der Parteien lassen für die Zukunft auch nichts Besseres erwarten. Die Wahlkampfaussagen scheinen wieder eher Interessen befriedigen zu wollen als einer tragfähigen Konzeption für die Zukunft zu dienen.
Man möchte mit Goethes Zauberlehrling rufen:
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
werd ich nun nicht los.
Den Meister gibt es hier nun nicht. Wir alle sind fehlerhafte Wesen. Das gilt auch für Barack Hussein Obama, den Hoffnungsträger in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts. Mit Blick auf ihn und mit der Erfahrung, daß Zeichen der Hoffnung immer auch - wenn auch sehr viel anders als erwartet - Erfüllung gebracht haben, schließe ich mit Schillers Worten zur Hoffnung:
Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling begeistert ihr Zauberschein,
Sie wird mit dem Greis nicht begraben,
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf.

In diesem Sinne weiterhin tätig zu sein und dazu beizutragen, daß diese Hoffnung nicht mit uns begraben wird, ist der Sinn dieses Briefes. Ich hoffe weiter auf Veränderung!

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